Mäder, Susanne; Naddaf, Zijad (2020): ChemSex: Alternative Lesarten eines mediatisierten Phänomens. In: Britta Hoffarth, Susanne Richter und Eva Reuter (Hg.): Geschlecht und Medien. Räume, Deutungen, Repräsentationen. Frankfurt: Campus (Hildesheimer Geschlechterforschung), S. 148–168.
Der Aufsatz beschäftigt sich mit dem Nischenphänomen ›ChemSex‹, unter welchem in der öffentlichen Diskussion vorrangig ›Sex‹ zwischen Männern* (MSM*) unter dem Einfluss von Substanzen (›Chems‹) verstanden wird. ChemSex erfährt sowohl in den traditionellen als auch neuen Medien verstärkte Aufmerksamkeit. Insbesondere Datingplattformen wie Grindr oder PlanetRomeo tragen zur Konstitution des Phänomens bei. Der Artikel intendiert daher erstens, die konstitutiven Elemente von Medien und des medialen Diskurses für die Herstellung des Phänomens ChemSex herauszuarbeiten. Zweitens sollen in Abgrenzung zu den (insbesondere in Gesundheitsdiskursen) vorherrschenden defizitorientierten Erklärungsansätzen alternative Verstehenshorizonte präsentiert werden, mittels derer ChemSex als eine Praxis der Selbstermächtigung und der Befreiung gelesen werden kann. Zunächst wird hierfür ausgeführt, was unter dem Terminus ChemSex verstanden wird und wie sich das Phänomen zeigt. Nachfolgend wird ChemSex als ein mediatisiertes Phänomen vorgestellt. Anschließend wird herausgearbeitet, unter welchen Vorzeichen, gesellschaftlichen Rahmungen und wissenschaftlichen Perspektiven ChemSex bearbeitet wird. Es wird argumentiert, dass ChemSex ein hochkomplexes gesellschaftliches Phänomen darstellt, dem man mit der tendenziell defizitorientierten Perspektive der Gesundheitsprävention nicht gerecht werden kann. Die in diesem Artikel vorgestellten soziologischen Erklärungsversuche sollen dazu einladen, sowohl das Phänomen als auch die Akteure neu zu denken und zu betrachten. Diese alternativen Zugänge zum Verständnis haben den Mehrwert, dass MSM* als aktive und kompetent handelnde Subjekte verstehbar werden und der sozialen Komplexität dieser kulturellen Praxis Rechnung getragen wird.